Aus Sicht des Schulleiters

Interview mit Herrn Kurtz

Können Sie sich einmal kurz vorstellen?
Mein Name ist Manfred Kurtz; ich bin seit 1987 Lehrer an der Felix-Fechenbach- Gesamtschule in Leopoldshöhe und seit dem 01.08.2016 Schulleiter.

Wissen Sie inwiefern sich die Fächer und Stunden zum Übergang von der Hauptschule zur Gesamtschule verändert haben?
Es gab an der Gesamtschule gegenüber der Hauptschule ein breiteres Angebot in den Wahlpflichtbereichen. Ein größeres Angebot gab es dadurch insbesondere mit den Fremdsprachen Französisch und Latein.
Das Fach Gesellschaftslehre ist ein typisches Gesamtschulfach. An der Hauptschule gab es Geschichte, Erdkunde und zeitweise auch Politik.
Die Differenzierung in die E- und G- Kurse gehörte von Anfang an zu den Besonderheiten der Gesamtschule; es gab in den siebziger Jahren aber auch schon Hauptschulen, die in vergleichbarer Weise differenzierten. Die verstärkte Ausrichtung auf alle möglichen Abschlüsse in der Sekundarstufe I war gesamtschulspezifisch.

Und wie lang war so ein typischer Schultag? Wie viele Stunden hatte man?
Für die Schülerinnen und Schüler in der Hauptschule endete der Unterricht normalerweise mittags und für die Gesamtschüler gab es am Anfang einen ähnlichen Unterrichtsumfang. Das ist erst durch die Einführung des Ganztags erweitert worden, so dass die Schülerinnen und Schüler auch zwei verpflichtende Ganztage hatten. Nachmittags dauerte der Unterricht für die Schülerinnen und Schüler der Sek II bis 17:10 Uhr. Wir hatten auch an 3 Samstagen im Monat Unterricht.
Für die Lehrerinnen und Lehrer gab es bei der Unterrichtsverpflichtung eine Änderung gegenüber der Hauptschule; das haben viele als eine Erleichterung empfunden, zumindest was die Stundenzahl angeht. An der Hauptschule mussten die Kollegen in der Regel 28 Wochenstunden unterrichten. An der Gesamtschule waren hingegen zunächst 24 Stunden Pflicht, die aber inzwischen aufgestockt wurden auf 25,5.

Und wie kam es zur Entstehung der Oberstufe?
Die Gesamtschule war ja und ist heute immer noch die einzige weiterführende Schule am Ort und so entstand bei den Kolleginnen und Kollegen und in der Gemeinde der Wunsch, alle Abschlüsse, die in den Sekundarstufen I und II möglich sind, an einer Schule zu ermöglichen. Mit dem Beschluss, die gymnasiale Oberstufe einzurichten, ergab sich die Möglichkeit, den schulischen Teil der Fachhochschulreife und das Abitur hier zu erreichen. Die Schule hat dadurch deutlich an Attraktivität gewonnen.

Kamen dann viele neue Schülerinnen und Schüler auf die Schule von außerhalb?
Bezogen auf die Sekundarstufe I?
→ Nein, auf die II.
Es waren zunächst relativ wenige, das hat sich allerdings im Laufe der Jahre sehr geändert.

Gab es Dinge, die Sie besonders gut oder schlecht an der Oberstufe fanden? Wenn ja, welche?
Besonders gut fand ich die überschaubare Größe der Jahrgangsstufen, die z. B. intensive Beratungen ermöglichte. Die Zusammenarbeit mit den Schülerinnen und Schülern war sehr angenehm. Ich habe das Arbeiten in der Oberstufe immer genossen, wie heute auch!
Gewöhnungsbedürftig war die Stundenlage: die letzten beiden Stunden von 15:40 Uhr bis 17:10 Uhr waren für viele Schüler anstrengend, aber auch für die Lehrer.

Zur Namensgebung: Wissen Sie welche Gründe für den Namen Felix Fechenbach standen? Und wer durfte dafür abstimmen?
Es gab einen breiten Diskussionsprozess im Kollegium und in der Schülerschaft. Dann haben Schülerinnen und Schüler Vorschläge unterbreitet, es waren Heinrich Böll und die Geschwister Scholl, die mit Felix Fechenbach ‚konkurrierten‘.
Gemeinsam war den Geschwistern Scholl und Felix Fechenbach das Anliegen im Nationalsozialismus klar Stellung zu beziehen gegen vielfältige Formen von Unrecht; die sozialkritische Dimension, die durch Heinrich Böll in den Prozess der Namensfindung kam, lässt sich gut mit diesem Anliegen verbinden. Es gab auch vereinzelt den Wunsch, den Namen Dietrich Bonhoeffer zu nehmen, der dann sozusagen auf der Linie Scholl und Fechenbach gewesen wäre. Über die drei Vorschläge Böll, Scholl und Fechenbach hat nach einem Lehrerkonferenzbeschluss die Schulkonferenz entschieden. In den achtziger Jahren gab es in Deutschland intensive Diskussionen bezüglich der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit. 1985 hat z. B. die große Rede von Richard von Weizsäcker zum 8. Mai so manche Diskussionen ausgelöst zu Fragen der Einschätzung und Beurteilung der Ereignisse der dreißiger und vierziger Jahre.
Eine wichtige Anforderung an den Namen unserer Schule war auch die Vorbildfähigkeit. Der Namensgeber sollte eine Vorbildfunktion haben können. Das Demokratieverständnis von Felix Fechenbach war etwas, was ganz viele Schülerinnen und Schüler angesprochen hat und so kam es dann zu dieser Entscheidung.

Und wie wurde das gefeiert? Gab es da eine riesen Feier wo alle eingeladen waren?
Ja, es gab eine große Feier am 11. November 1989, d. h. unmittelbar nach dem Mauerfall. Mit vielfältigen Schüleraktivitäten und einer Festrede wurde Felix Fechenbach gewürdigt und seine Bedeutung für den Einsatz für Demokratie betont.

Und waren damals alle mit der Namensgebung zufrieden oder gab es noch welche, die vielleicht unzufrieden waren?
Die überwiegende Mehrzahl war zufrieden und diejenigen, die gerne Böll oder Scholl gehabt hätten, konnten Felix Fechenbach auch schnell akzeptieren. Bei den Anliegen, die für uns als Schule wichtig sind, lagen sie ja auf der gleichen Ebene oder sehr vergleichbaren Ebenen.

Gab es auch Kritik zur Namensgebung?
Soweit ich mich erinnern kann, gab es im Vorfeld bezüglich der grundsätzlichen Frage, ob wir einen Namen brauchen oder nicht, unterschiedliche Meinungen. Es gab auch Unsicherheiten in der Einschätzung, ob Felix Fechenbach bekannt genug sei. Er war zwar schon in Lippe bekannt, aber darüber hinaus eher nicht und das merkt man ja auch heute noch, wenn man z. B. mit Kollegen in einem anderen Bundesland telefoniert; da gibt es dann häufig die Rückfrage: Hm, Felix Fechenbach, wer war das? Das waren Bedenken, aber das sprach und spricht ja nicht gegen diesen Namen und das gibt uns ja auch immer die Gelegenheit, das deutlich zu machen, was wir mit Felix Fechenbach verbinden.

Wussten Sie wer genau Felix Fechenbach war bevor Sie sich so intensiv mit Ihm beschäftigt haben?
Nein!
→ Aber Sie waren damit zufrieden?
Ja, ich war damit zufrieden. Also wenn ich die Wahl gehabt hätte, als Religionslehrer, ich war damals näher bei Dietrich Bonhoeffer. Aber ich bin mit Felix Fechenbach hoch zufrieden und ich glaube auch, dass wir damit wirklich die richtige Entscheidung getroffen haben. Ich sehe große Parallelen zu Dietrich Bonhoeffer: beide haben schon sehr früh vor den Gefahren des Nationalsozialismus gewarnt. Felix Fechenbach wurde bereits 1933 ermordet und Dietrich Bonhoeffer hat genauso früh vor Hitler gewarnt, auch in öffentlichen Vorträgen. Beide waren an der Stelle hellwach und haben aufgrund ihrer Möglichkeiten, die sie beruflich und intellektuell hatten, vielfältige Warnungen ausgesprochen.

M: Welchen Einfluss hatte die Namensgebung auf unsere Schule? Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage.
K: Das ist zum Beispiel eine Dimension, die sich aus dieser Namensgebung sicherlich entwickelt hat. Wir empfinden die Namensgebung auch als eine Art Selbst-verpflichtung. Wir möchten dem Namensgeber und seinen Anliegen gerecht werden
M: Und wie lange dauerte diese Entscheidung ungefähr?
K: Die SV hatte die entscheidende Idee und brachte sie in unterschiedliche Diskussionsprozesse ein. Es fand sich schnell eine breite Mehrheit für die Bewerbung um den Titel. Die entsprechenden Aktionen erstreckten sich über wenige Monate.

Welche Baumaßnahmen haben Sie miterlebt?
Den so genannten dritten Bauabschnitt, also unseren Oberstufentrakt, im Jahr 1989/90. Es folgte der Anbau der beiden Klassenräume plus Computerraum im Bereich der alten Aula vor ca. 15 Jahren und vor 6 Jahren der Neubau der Aula/Mensa mit anschließendem Umbau der alten Aula zum Selbstlernzentrum.

Und gab es früher auch schon Mangel an Klassen- und Fachräumen oder kam das erst im Laufe der Zeit?
Der Mangel ist im Laufe der Zeit stärker geworden, es gab ihn früher aber auch schon. Die Gesamtschule ist ursprünglich als vierzügige Schule geplant und gebaut worden, dann aber von Anfang an fünfzügig gewesen. Man kann, wenn man das zugespitzt formuliert, sagen, dass wir jetzt im vierzigsten Jahr den Raummangel haben.

Wie war der Schulhof früher gestaltet? War der ähnlich wie heute oder wie sah der aus?
Er war etwas größer, ohne die Spielfläche. Tischtennisplatten gab es, wir hatten Skulpturen, die die ersten Kunst-Leistungskurse hergestellt haben. Eine Skaterbahn befand sich ungefähr dort, wo jetzt die Aula steht.

Und finden Sie, dass sich unsere Schule zum Guten entwickelt hat?
Grundsätzlich ja, aber damit will ich nicht sagen, dass es früher nicht gut war.

Gibt es denn noch Gemeinsamkeiten mit damals?
Mit den Anfängen?
→Ja.
Der Geist der Gesamtschule ist immer noch der gleiche. Die Idee, allen Schülerinnen und Schülern die Gelegenheit zu geben, möglichst lange gemeinsam zu lernen und die individuellen Entwicklungsmöglichkeiten bewusst offen zu halten, ist nach wie vor bedeutsam. Diese Idee ist genauso aktuell wie in den siebziger Jahren und sie wird heute durch die Diskussion um die Inklusion neu belebt und verstärkt. Die Gesamtschulidee kommt dem Inklusionskonzept am nächsten.

Gab es denn damals Unterstützung von der Gemeinde bezüglich der Finanzierung der Bauprojekte?
Ja, es handelte sich um ein Großprojekt der Gemeinde, aber natürlich hatte Leopoldshöhe nur begrenzte Mittel, die eben zum Teil über Kredite finanziert wurden. Wie das in den siebziger Jahren im Detail auf den Weg gebracht wurde, kann ich nicht beantworten.

Gab es denn damals schon diverse Schüleraustauschprogramme wie wir sie heute kennen?
Nicht so viele; den Schüleraustausch mit Saint Gaultier gibt es seit 1985 oder 1986 und das war auch in den Anfängen der Gesamtschule der einzige Austausch. Mit diesem Schüleraustausch ist es dann auch 1990 zur Städte- bzw. Gemeinde-partnerschaft zwischen Leopoldshöhe und Saint Gaultier gekommen.
Anfang der 90er Jahre hatten wir auch kleinere Austauschprogramme mit Jüterbog, einer Kleinstadt in der Nähe von Berlin. Hier ging es um ein innerdeutsches Kennenlernen.

Wissen Sie etwas über die Partnerschaft mit Afrika?
Ja, ihr meint Boroma in Mosambik. In den 80er Jahren bis Anfang der 2000er Jahre hatten wir intensive Kontakte zu Boroma über das „Dritte Welthaus“ in Bielefeld. Unser früherer Schulleiter, Dr. Stanzel, war intensiv beteiligt, aber auch weitere Kollegen, z.B. Herr Venjakob, der damals mit einer Broschüre diese Arbeit gewürdigt hat. Wir haben wichtige Aspekte dieser Partnerschaft regelmäßig im GL-Unterricht thematisiert. Es gab auch wechselseitige Besuche von Kollegen; zweimal ist eine Delegation der FFG in Boroma gewesen und mehrfach wurden wir auch besucht. Die Schule in Boroma war chronisch unterfinanziert; wir können wir uns hier nicht vorstellen, unter welch eingeschränkten Bedingungen die Schülerinnen und Schüler in Boroma zur Schule gingen. Mit Spendenaktionen haben wir die Partnerschule dabei unterstützt, die Lern- und Lebensbedingungen für die Schülerinnen und Schüler zu verbessern.
Das war eine spannende Zeit. Aber es gab dann unterschiedliche Gründe, die dazu geführt haben, dass diese Partnerschaft nicht fortgesetzt werden konnte.

Gab es damals schon regelmäßige Projekttage oder Projektwochen?
Ja, Projektwochen fanden in den Anfängen der Gesamtschule sogar regelmäßiger statt als jetzt. Die Gesamtschule hatte den Anspruch Unterricht anders durchzuführen als an Realschulen oder Gymnasien. Und eine Idee waren die Projekte, in denen Schülerinnen und Schüler mehr Möglichkeiten haben sich freier zu entfalten, sich auch einmal unabhängig vom Lehrplan mit einem Thema zu beschäftigen. In einer Projektwoche Afrika z. B. haben sich alle Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen Aspekten zum Thema Afrika und der Schulpartnerschaft mit Boroma beschäftigt.
Projekttage hat es seit den 90er Jahren regelmäßig in der Oberstufe gegeben, z. B. zu wichtigen Jahrestagen. An einem Projekttag im Februar 1996 haben wir uns mit Dietrich Bonhoeffer beschäftigt und das passte natürlich sehr gut zu Felix Fechenbach. Oder ich erinnere mich auch sehr gerne an einen Projekttag, der jetzt fast 20 Jahre zurück liegt: 10. Dezember 1998 – der Tag der Menschenrechtserklärung. Im Oberstufentrakt erinnern heute noch Schülerarbeiten an diesen Projekttag.